Margarete Depner (1885-1970)

Facettenreiche bildende Künstlerin aus Kronstadt

Von Gudrun Ittu

Der Entwicklungsweg Margarete Depners zur bildenden Künstlerin verlief ähnlich wie der anderer Frauen, die dem großbürgerlichen Milieu entstammten. Als Tochter einer Kronstädter Industriellenfamilie, die das Ende Ihrer schulischen Ausbildung in Weimar erhielt, konnte sie sowohl in ihrer Heimatstadt als auch in Berlin ihre Begabung entwickeln. Nach der Heirat mit dem Kronstädter Mediziner und Politiker Wilhelm Depner widmete sie sich zunächst der Familie, hielt aber Kontakte zu Professor István Réti sowie zu den heimischen Künstlern Friedrich Mieß und Fritz Kimm und pflegte Malerei und Grafik. In der Zwischenkriegszeit orientierte sie sich an München und Berlin und verlegte sich vornehmlich auf die Bildhauerei, was auch Anlass zu ihrem Studienaufenthalt in Paris 1934 gab. Sie liebte die schlichten, klassischen Formen. Ihre Skulpturen sind lebendig, expressiv und zeugen von der Empathie der Künstlerin mit ihren Modellen. Sie stellte ab 1932 regelmäßig aus und beteiligte sich auch in der Nachkriegszeit vielfältig im Rahmen der Künstlerverbände.

 

1960er Jahre: Margarete Depner modelliert Lenin – nicht akzeptiert vom Künstlersyndikat. Fotograf unbekannt.
Archiv K. Philippi.

Werdegang

Margarete Depner wurde am 22. März 1885 in Kronstadt/Braşov/Brasso als Tochter des
Tuchfabrikanten Wilhelm Scherg und der Juliane Scherg geboren. In ihrer Geburtsstadt erhielt sie eine gründliche Allgemeinbildung, die sie in einem Mädchenpensionat in Weimar in der Zeit von 1901 bis 1902 vervollständigte. Der Unterricht in der Stadt Schillers und Goethes war musisch ausgerichtet, vor allem auf Literatur und bildende Kunst. Vermutlich wurde die junge Kronstädterin sich hier ihrer Begabung bewusst und fasste den Entschluss, Künstlerin zu werden.

In ihre Heimatstadt zurückgekehrt, nahm sie zwischen 1903 und 1905 Zeichenunterricht bei Professor Ernst Kühlbrandt (1857-1933), dem bekannten Kunsterzieher am Honterusgymna­sium, in dessen Atelier zahlreiche begabte Jugendliche erste Anleitungen erhielten. Von Oktober 1905 bis Oktober 1906 besuchte Margarete die Privatschule des Malers Wilhelm Jordan (1871-1927) in Berlin, der besonderen Wert auf akribisches Zeichnen nach der Natur legte.

Im nächsten Jahr (1907) heiratete Margarete den Chirurgen Dr. Wilhelm Depner (1873-1950), der 1912 ein Sanatorium gründete, das weit über Kronstadt hinaus bekannt wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg zählte Dr. Depner zu den Veranstaltern der ärztlichen Hochschulkurse, zu denen bekannte Ärzte aus dem deutschsprachigen Ausland als Vortragende eingeladen wurden, und im Juli 1919 trat er ins politische Leben ein. Er wurde nämlich Obmann des Burzenländer sächsischen Kreisausschusses, ein Amt, das er fast zwanzig Jahre lang bekleidete.

Familie, Ehrenamt und Kunst

1916 war Margarete Depner kriegsbedingt nach Budapest evakuiert worden, wo sie die Zeichenschule Professor István Rétis (1872-1945), des Mitbegründers 1896 der Malerkolonie von Frauenbach/Baia Mare/Nagybánya (Nagybányai Festő Iskola), besuchte. Nach Kriegsende war sie in den Ateliers der Kronstädter Maler Friedrich Mieß (1854-1935) und Fritz Kimm (1890-1979) anzutreffen. Der bildenden Kunst konnte sie sich jedoch nur bedingt widmen, da sie zahlreiche andere Verpflichtungen hatte, nämlich die Erziehung ihrer drei Kinder, Mithilfe bei der Verwaltung des Sanatoriums sowie soziales Engagement. Sie setzte sich für die Erziehung von Waisenkindern ein und war Vorsteherin des ersten Heimes zur Betreuung von Kindern,
deren Mütter Fabrikarbeiterinnen waren.

Studienreisen, künstlerische Entwicklung und Hinwendung zur Plastik

1925 und 1927 reiste sie nach München, um mit den neuesten Entwicklungen in der deutschen Kunst vertraut zu werden, schließlich 1928 nach Berlin. Nach ihrem letzten Deutschlandaufenthalt kehrte sie sich von Malerei und Grafik ab, um sich vorrangig der Bildhauerei zu widmen.
Zu jenem Zeitpunkt war sie die einzige siebenbürgisch-sächsische Künstlerin, die diese schwierige Kunstart pflegte.

1931 reiste die Künstlerin erneut nach Berlin, um im Atelier von Joseph Thorak (1889-1952),
eines damals sehr geschätzten Bildhauers, zu arbeiten. Lehrer und Schülerin harmonierten nicht, was dazu führte, dass Margarete Depner Thoraks Werkstatt bereits nach zwei Monaten verließ. Was sie jedoch von ihm gelernt hatte, war die realistische, naturgetreue Wiedergabe des Modells. Während dieses Berlin-Aufenthalts machte die Kronstädterin zwei sehr bedeutende Bekanntschaften: Sie besuchte Käthe Kollwitz (1867-1945) und Georg Kolbe (1877-1947) in ihren Ateliers. Das Jahr 1931 war für Margarete auch in ihrer Heimat erfolgreich, da sie im Herbst zum ersten Mal im Bukarester Schwarz-Weiß-Salon „Salon naţional“ ausstellte und für die Zeichnung „Mädchen mit Kandelaber“ einen Preis erhielt.

Den Durchbruch in der Kronstädter Kunstszene erlebte sie erst zwei Jahre später (1933), als sie zusammen mit dem Bildhauer Hans Guggenberger (1902-1987) – der in der Zeitspanne von 1931 bis 1945 in Kronstadt lebte – und der Kunstgewerblerin Rieke Morres eine Ausstellung veranstaltete. Margarete Depner war mit vierzig Ölbildern und zwölf Skulpturen vertreten. Unter den Letztgenannten befand sich auch die Plastik „Die Trauernde“ für das Grab der bekannten sächsischen Frauenrechtlerin Lotte Binder (1880-1930). Das Grabmal, eine der wenigen Grabplastiken des Hermannstädter Zentralfriedhofs, steht auch heute noch auf der (ursprünglich) evangelischen Seite desselben. Da es zu jener Zeit in Siebenbürgen keine professionelle Kunstkritik gab, fielen die Ausstellungsbesprechungen zwar positiv aus, machten jedoch keinen Unterschied zwischen der „hohen“ Kunst Margarete Depners und kunsthandwerklichen Erzeugnissen ihrer Mitaussteller. Außerdem wurde die Künstlerin ausschließlich als Bildhauerin wahrgenommen, wenngleich ihre Grafiken und Ölbilder den plastischen Arbeiten in nichts nachstanden.

Ihre letzte Studienreise führte Margarete Depner 1934 nach Paris, in das Atelier des Bildhauers Marcel Gimond (1894-1961), eines Maillol- und Rodin-Schülers, wo sie zwei Monate lang intensiv arbeitete und die Sehenswürdigkeiten der Kunststadt genoss.

Künstlerisches Schaffen und Ausstellungen

Es folgten Jahre regen künstlerischen Schaffens
sowie die Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen. 1935 war sie erneut mit Grafiken im „Salon oficial” präsent, und 1937, 1938, 1942 sowie 1943/1944 beteiligte sie sich an den sogenannten Gesamtausstellungen bzw. den Ausstellungen Deutscher Künstler aus Rumänien. Bei den Veranstaltungen von 1942 und 1943/1944 handelt es sich um Wanderausstellungen, die in mehreren Städten Deutschlands zu sehen waren. Im Rahmen der ersten Veranstaltung, die in Berlin, Stuttgart, Saarbrücken und Dieden­hofen (frz. Thionville, Lothringen) Station machte, stellte Margarete Depner fünf Skulpturen aus, von denen die Stadt Stuttgart eine Marmorplastik ankaufte.

Margarete Depner im April 1969. Archiv Friedrich Philippi.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schloss sich die Künstlerin – trotz des Verlustes des Sanatoriums und der Demütigungen, die ihre Familie seitens der neuen, kommunistischen Machthaber erleiden musste – dem Syndikat der bildenden Künstler (Sindicatul Artiştilor Plastici) und danach dem Verband der bildenden Künstler (Uniunea Artiştilor Plastici) an. Als Mitglied dieser Verbände nahm sie zwischen 1949 und 1970 an allen regionalen Ausstellungen (bis 1968) und
danach an denen des Kreises Kronstadt teil. 1953, 1954 und 1959 beschickte sie auch die „Ausstellungen der Republik” (Expoziţii Republicane), die in der Landeshauptstadt veranstaltet wurden.

Würdigung

Wie bereits erwähnt, beinhaltet das Œuvre Margarete Depners Grafiken, Ölgemälde und Skulpturen. Ihre grafischen Arbeiten – Zeichnungen und Lithografien – die während und nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, sind vom Expressionismus, der Stilrichtung der Zeit, geprägt.
Einige dieser Arbeiten erinnern an den Stil von Käthe Kollwitz, was jedoch nicht auf eine direkte Begegnung der beiden Künstlerinnen, die erst 1931 stattfinden sollte, zurückzuführen ist. In ihren Ölbildern kommt es Margarete Depner – anders als den Expressionisten – in erster Linie auf die Form an, der sie die Farbe unterordnet. Dank dieses ausgeprägten Formgefühls bereitete ihr der Übergang von zwei- zu dreidimensionalen Darstellungen keine Schwierigkeiten. Die Mehrheit ihrer Ölbilder sind Frauenporträts, deren Modernität in der flächigen Farbgebung liegt, großzügiger Pinselführung sowie dick aufgetragener Farbpaste, die den Eindruck der
Reliefgestaltung erweckt. In Bezug auf die Skulptur, in der sie Erfüllung gefunden hatte, lehnte Margarete Depner alle Modeerscheinungen der Zeit ab. Expressionismus, Dadaismus und Konstruktivismus lagen ihrem Schönheitsideal ebenso fern wie die monumentalen, hyperrea­-
listischen Standbilder ihres Lehrers Thorak. Sie liebte die schlichten, klassischen Formen. Ihre Skulpturen sind lebendig, expressiv und zeugen von der Empathie der Künstlerin mit ihren
Modellen.

Margarete Depner war auch eine eifrige Sammlerin siebenbürgischer Kunst und hatte vor, in ihrem Haus ein Museum zeitgenössischer (siebenbürgischer) Kunst zu eröffnen, ein Vorhaben, das der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges vereitelte. Nach dem Tod der Künstlerin wurden zahlreiche Stücke der Depnerschen Kunstsammlung infolge von Schenkungen oder Ankäufen den wichtigsten Museen des Landes einverleibt.

Margarete Depner, eine sehr begabte und facettenreiche Künstlerin, starb am 2. September 1970 in ihrer Heimatstadt Kronstadt.


Literaturhinweise

Joachim Scharffader: Sinnvolle Schönheit. Betrachtungen zum bildhauerischen Schaffen von Margarete Depner. In: Neuer Weg, 12. November 1966, S. 3.

Joachim Wittstock: Realismus als Grundlage und Leistung. Zum 85. Geburtstag der Kronstädter Bildhauerin Margarete Depner. In: Hermannstädter Zeitung, Nr. 117, 24. März 1970, S. 9.

Manfred Wittstock: Schönheit der humanen Werte. In: Neuer Weg, Nr. 8254, 26. November 1975.

Rohtraut Wittstock-Reich: Erhabene Schönheit in gegenständlicher Form. Vor 100 Jahren wurde die Bildhauerin Margarete Depner geboren. In: Neuer Weg, Nr. 11142, 23. März 1985, S. 3-4.

Lisa Fischer: Wiederentdeckt. Margarete Depner (1885-1970). Meisterin des Porträts der Siebenbürgischen Klassischen Moderne. (Böhlau Verlag) Köln, Weimar, Wien 2011.

Margarete Depner: Eine Bildhauerin in Siebenbürgen, vorgestellt von Joachim Wittstock und Rohtraut Wittstock, mit Photographien von Oskar Gerhard Netoliczka und anderen. (Hora Verlag) Hermannstadt/Sibiu 2014.

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